Offener Brief an den Hohenfelder Bürgermeister Stuke und die WGH
Wir möchten die letzte Sitzung der Gemeindevertretung vom 02.05.2022 zum Anlass nehmen, ein paar grundsätzliche Dinge anzusprechen:
Wie bereits unter dem Punkt „Diskussion / Klartext“ erwähnt, wurden die direkt betroffenen Anwohner weder im Vorwege noch in der Frühphase über das Projekt Mega-Solarpark Hohenfelde informiert. Wir haben den Eindruck, es sollte versucht werden, die Sache ohne viel Aufhebens still und heimlich über die Bühne zu bringen. Zu keinem Zeitpunkt wurde das direkte Gespräch sowie eine Grundsatzdiskussion mit den Bürgern gesucht. Zu keinem Zeitpunkt wurden generelle Bedenken gegen den geplanten Standort mit seinen insgesamt knapp 90 ha zugelassen. Und das ist bis heute so geblieben. Herr Stuke und die WGH halten sich aus allen Diskussionen heraus. Bisher kein Wort von ihnen. Dafür wird aber in jeder – tatsächlich jeder! – Sitzung, die das Thema Solarpark betrifft, der Planer Herr Brockmöller vorgeschickt, um ganz im Sinne der Betreibergesellschaft und der beiden Landwirte seine Argumentation durchzupeitschen.
Frage an den Bürgermeister: Warum laden Sie, Herr Stuke, nicht einmal Vertreter des Innenministeriums aus Kiel ein. In der Stellungnahme des Ministeriums zum Hohenfelder Solar-Projekt heißt es u.a.: „Auf die landesplanerischen Grundsätze zur Vermeidung längerer bandartiger Strukturen und gravierender Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes sowie die Zielsetzung, räumliche Überlastungen aufgrund zu großer Agglomerationen von Solar-Freiflächenanlagen durch Ausrichtung auf bereits vorbelastete Gebiete zu vermeiden, wird erneut hingewiesen (Ziff. 4.5.2 Abs. 2-4 LEP-Entwurf Fortschreibung 2020). Vor diesem Hintergrund ist der Umfang der Planung aus landesplanerischer Sicht und in der Gesamtbetrachtung kritisch zu sehen.“
Die Liste der Kritikpunkte von Behörden wie auch von den Trägern öffentlicher Belange lässt sich mühelos fortsetzen. Wie können Sie solche Kritik von oberster, fachlich qualifizierter Stelle einfach missachten und sich taub stellen?
Jetzt zu Ihren möglichen Argumenten bzw. denen des Planers Herrn Brockmöller:
Argument 1: Wir müssen die Energiewende hinbekommen.
Stimmt!
Warum brauchen wir aber die Energiewende? Weil wir die Klimakrise in den Griff bekommen müssen. Weil fossile Energieträger wie Kohle, Öl, Gas die Umwelt durch CO2 belasten und den Klimawandel beschleunigen. Die Klimakrise wird nur beherrschbar, wenn wir die CO2-Emissionen drastisch senken. Damit kommen wir zum eigentlichen Punkt: Die für den Solarpark vorgesehene Fläche ist feuchter Moorboden. Moorboden ist aber der effektivste Speicher für CO2, noch wichtiger als die großen Wälder. Das CO2 wird im feuchten Boden gebunden. Wenn allerdings der Moorboden durch Solarmodule überdacht wird, ändert sich der bisher gleichmäßig feuchte Zustand des Bodens sowie auch das Mikroklima. Durch das Austrocknen unterhalb der Module wird CO2 frei und es kommt zum gegenteiligen Effekt, will heißen, die Klimakrise wird weiter vorangetrieben.
Das Projekt ist absolut kontraproduktiv.
Argument 2: Die Landwirte sagen, der Boden, den sie für die Errichtung des Solarparks verpachten wollen, sei wertlos.
Wenn die Landwirte von einem minderwertigen Boden sprechen, meinen sie damit einen geringeren wirtschaftlichen Ertrag, den sie für das feuchte Grünland, verglichen mit ihren Ackerböden, erzielen können. Deshalb bieten sie diese Flächen an und erhalten dafür das 4- bis 5-fache an Pacht gegenüber dem Pachtpreis für landwirtschaftliche Nutzung.
Aus ökologischer Sicht allerdings ist feuchtes Dauergrünland – und in diesem Fall handelt es sich um ausgewiesenen klimasensitiven Boden – um ein Vielfaches wertvoller als Ackerland. Wertvoll als CO2-Speicher, als Lebensraum für Pflanzen und Tiere und als Brut- und Raststätte. (Vgl. Stellungnahmen Nabu und BUND). Wie im Landschaftsplan Hohenfelde empfohlen, wäre es im Sinne des Klima- und Umweltschutzes förderlich, diese Flächen einschließlich der Kremper Au zu renaturieren. Auch hierfür existieren Programme des Umweltministeriums.
Flächen, auf denen die Landwirte bisher schon Klimapflanzen wie Mais anbauen, werden vom Umweltbundesamt als geeigneter für PV-Freiflächenanlagen befunden. Solche Areale stehen aber aus wirtschaftlichen Erwägungen hier nicht zur Disposition. Gerade vor diesem Hintergrund wäre aber eine Prüfung alternativer Standorte, wie vom Land gefordert, anzusetzen gewesen. Dies allerdings wurde von der Gemeindevertretung ignoriert.
Argument 3: Der Krieg in der Ukraine macht einen schnelleren Ausstieg aus fossilen Energien notwendig.
Die Regierung hat bereits Großprojekte angeschoben. Dazu gehört die Brückentechnologie Flüssigerdgas (LNG) mit einem beschleunigten Ausbau von Flüssigerdgas-Terminals als feste Terminals (Brunsbüttel, Wilhelmshaven und Stade) und als Floating Terminals in Brunsbüttel und Wilhelmshaven, wo bereits im kommenden Winter erstes Flüssigerdgas entladen werden soll.
Auf dem Energie-Gipfel, der in diesem Monat im dänischen Esbjerg stattgefunden hat, wurde zwischen den Nordsee-Anrainerstaaten Deutschland, Dänemark, Belgien und den Niederlanden vereinbart, gemeinsam die Offshore-Windenergie voranzutreiben, um sich von Russlands Energie unabhängig zu machen. Bis 2030 soll die Leistung vervierfacht und gemeinsam mindestens 65 Gigawatt produziert werden. Diese Zusammenarbeit sieht ebenso eine Kooperation bei der künftigen Erzeugung von grünem Wasserstoff aus Offshore-Windenergie vor, bei dessen Erzeugung kein Treibhausgas CO2 anfällt.
Die aktuelle politische und wirtschaftliche Weltlage hat auch China in den Fokus gerückt. Die Photovoltaik-Branche wird unstrittig von China dominiert und Deutschland und andere Länder haben sich in eine totale Abhängigkeit begeben. Solarmodule kommen mittlerweile fast ausschließlich aus China, weil sie dort extrem billig sind. Die Produktionsbedingungen, aber auch die Entsorgung bzw. das Recycling sind nicht transparent oder noch nicht geklärt.
Argument 4: Schleswig-Holstein ist Energielieferant
Das stimmt. Aktueller Stand ist:
- In Schleswig-Holstein liegt die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien derzeit bei ca. 160 Prozent in Relation zum eigenen Bruttostromverbrauch (Monika Heinold – Bündnis 90/Die Grünen Schleswig-Holstein).
- 2% der Landesfläche sollen deutschlandweit zukünftig für Windkraft vorgesehen werden. Schleswig-Holstein hat dieses Ziel schon jetzt erreicht.
Hinzu kommen die oben genannten Großprojekte sowie viele in Planung befindliche Anlagen. Schleswig-Holstein hat seinen Beitrag bereits übererfüllt.
Dennoch sind die „Heuschrecken“ der Solarbranche weiterhin erfolgreich in Schleswig-Holstein unterwegs. Besonders auch im Kreis Steinburg. Wenn der Hohenfelder Bürgermeister bei jeder Gelegenheit betont, dass er nur für seine Gemeinde spricht und der Rest ihn nicht interessiert, ist das kurzsichtig gedacht. Ein Blick über den Tellerrand würde offenlegen, dass die Akzeptanz der Bürger durch eine inflationäre Anzahl an Solarparks in der Gegend vermutlich überstrapaziert wird!
Dass hier eines der größten gemeindeübergreifenden Solarprojekte in Schleswig-Holstein verwirklicht werden soll, wurde immer unter dem Teppich gehalten.
Schließlich habe man mit der Gemeinde Rethwisch gar nicht gesprochen. Das lag allein im Handlungsbereich der Betreibergesellschaft, so die Gemeindevertretung. Auch das weitere Splitting in 2 unterschiedliche Bauleitplanverfahren für den Hohenfelder Bereich sollte die Bürger über das Ausmaß hinwegtäuschen. Die hierbei angewandte Salami-Taktik widerspricht eindeutig den Vorgaben des Landesentwicklungsplans in seiner Fortschreibung 2021.
Argument 5: Die Gemeinde verdient Geld und das kommt dem Gemeinwohl zugute
Die Gemeindevertretung sollte sich allerdings bewusst machen, dass die 0,2 Cent pro kWh nicht Gesetz sind, sondern auf freiwilliger Basis beruhen. Und die Gewerbesteuer fließt erst nach frühestens 5 bis 7 Jahren, wie der Vertreter der Actensys zugeben musste. Trotzdem scheint es so, dass allein die Aussicht auf finanziellen Zugewinn die Entscheidung bestimmt hat und nicht etwa das Motiv der Energiewende. Es geht allein ums Geld!
Aber Geld ist nicht alles. Die Attraktivität der Gemeinde würde im Fall einer PV-FFA-Realisierung nicht gerade zunehmen, denn es lässt sich leicht vorstellen, dass mit einem gigantischen Solarpark in der Größe von etwa 122 Fußballfeldern vor der Haustür niemand mehr in die Hohenfelder Gegend ziehen möchte.
Ginge es den Gemeindevertretern wirklich ums Gemeinwohl, hätten sie zusammen mit den Bürgern eine Grundsatzdiskussion geführt und im positiven Fall zwischen verschiedenen Alternativflächen abgewogen. Wie es in anderen Gemeinden schon länger üblich ist, wäre auch ein Bürgerpark mit einer finanziellen Beteiligung der Bürger möglich gewesen.
Argument 6: Wir tun etwas für die Umwelt und den Naturschutz
Nein. In diesem Fall ist das nicht so. Wie bereits an vielen Stellen unserer Internetseite dargestellt, ist die in Planung befindliche Fläche ökologisch äußerst wertvoll. Schlagworte dafür sind: feuchtes Dauergrünland, Moorboden, ausgewiesener klimasensitiver Boden, Teil einer Biotop-Verbundachse, Pufferzone für einen Biotop-Schwerpunkt. Der Standort in der Niederung Hohenfelde-Niederreihe ist für eine Solar-Freiflächenanlage ungeeignet!
Generell sollte bei jedem Solarpark die Umweltverträglichkeit hinterfragt werden: Verglichen werden müssen die Zustände des Standorts vor und nach der Überbauung. Für den Zustand danach ist im Besonderen die Betreibergesellschaft verantwortlich. Der Bundesverband Neue Energiewirtschaft empfiehlt, bei der Planung, Errichtung und dem Betrieb von PV-Freilandanlagen einen über die regulatorischen Vorgaben hinausgehenden Beitrag zu leisten. Unter dem Begriff „bne – Gute Planung“ finden sich Maßnahmen zur Ausgestaltung der Ziele in Selbstverpflichtung. Der bne und die Unterzeichner dieser Selbstverpflichtung (Planer, Errichter und Betreiber von PV-Freilandanlagen) verpflichten sich freiwillig, die definierten Standards „Guter Planung“ umzusetzen und einzuhalten. In der Liste der Unternehmen, die den bne-Standard „Gute Planung von PV-Freilandanlagen“ anwenden, findet man weder den Namen Actensys GmbH noch das Planungsbüro Brockmöller. Dazu passt auch folgendes Vorgehen: Haben die Betreiber noch im Februar 2022 zum Ausgleich für die ökologischen Folgeschäden ein Kompensationsgebiet in der Gemeinde Kleve mit einer Größenordnung von fast 69 ha ausgewiesen, so wurde dies seitdem mit einer seltsamen Vermehrung anrechenbarer Grünflächen in ein Guthaben von fast 25ha gewandelt. Die Fläche in Kleve war den Betreibern offenbar zu teuer und es wird durch absurde Berechnungen um jeden Quadratmeter gekämpft. Hier reiht sich auch das Verweigern eines ganztägig besonnten Streifens von 3 m Breite zwischen den Modulreihen ein, wie vom Innenministerium angemahnt.
(24.05.2022)